Kann man mit einem gerissenen vorderen Kreuzband Schifahren?
Wie bei allen Sportarten gilt die Dosis macht das Gift. Alpiner Skilauf an sich ist ein Sport der, bei entsprechender körperlicher Vorbereitung bis ins hohe Alter problemlos ausgeübt werden kann. Allerdings ist der Skiport natürlich durch die ständigen schnellen Lastenwechsel und hohen Belastungen bei gebeugtem Knie bzw. durch die hohen auftretenden Drehbelastungen für das Kniegelenk eine durchaus gefährdende Sportart. In den meisten Fällen treten Überlastungserscheinungen im Bereich der Sehnen und Bänder insbesondere der der Patella-Sehne auf. Es können auch Meniskusverletzungen auftreten und bei der entsprechender Verdrehung des Kniegelenkes auch Kreuzbandrisse. Ein Riss des vorderen Kreuzbandes ist eine schwere innere Kniegelenksverletzung bei der, der zentrale Pfeiler der Stabilität verloren geht. Klinisch äußert sich diese Verletzung akut durch starke Schmerzen, massives anschwellen des Kniegelenkes und das subjektive Gefühl, dass das Knie nicht hält, im Fachjargon Giving-way Attacke genannt. Bei einer solchen Symptomenkonstellation sollte unbedingt ein erfahrener Kreuzbandchirurg konsultiert werden, um diese Verletzung genauestens abzuklären, zu diagnostizieren und möglichst effektiv zu behandeln.
Durch die Kreuzbandverletzung ist nicht nur mechanisch die Stabilität des Kniegelenkes herabgesetzt, sondern es kommt durch die Verletzung der Propriozeptoren innerhalb des vorderen Kreuzbandes, reflektorisch zu einer Hemmung des Quadrizepsmuskels auf Rückenmarksebene, was zusätzlich zu einer herabgesetzten muskulären Stabilisierung des Kniegelenks führt.
Wie wird eine Kreuzbandverletzung diagnostiziert?
Die Diagnostik einer Kreuzbandverletzung setzt sich immer aus der klinischen Untersuchung mit entsprechenden Stabilitätstest (vordere Schublade, Lachmann-Test, Pivot-Shift-Test) und einer entsprechenden MR tomographischen Bildgebungsdiagnostik mit einer speziellen paracoronaren und parasagittalen Bildgebung zusammen. Sollte nun im klinischen Befund eine Instabilität diagnostiziert werden und im MRT ein eindeutiger vorderer Kreuzbandriss vorliegen, so gilt es die Entscheidung zu fällen ob eine Operation sinnvoll und zielführend ist. Es kann natürlich zu Begleitverletzungen kommen wie z.B. eingeklemmte Meniskusrisse, abgesprengte Knorpelstücke, die eine Operation zwingen erforderlich machen und dann sollte bei entsprechendem sportlichen Anspruchsniveau auch gleich das vordere Kreuzband mitadressiert werden denn eine Knorpel- und Meniskusverletzung heilt in einem instabilen Kniegelenk deutlich schlechter ab. Bei einer isolierten vorderen Kreuzbandruptur kann man die therapeutischen Schritte durchaus differenziert angehen. In Studien konnte über einen kurzen Zeitraum bewiesen werden, dass bei Hobbysportlern eine sofortige Operation innerhalb eines zweijährigen Untersuchungszeitraumes keine wesentlichen Vorteil bringt. Jedoch ist die fehlende Stabilität im Kniegelenk dafür verantwortlich, dass über einen längeren Zeitraum in größerer Anzahl Meniskusverletzungen auftreten.
Operative oder konservative Behandlung?
PatientInnen im Hobbysportbereich sollten bei isolierten vorderen Kreuzbändern zunächst 3 Monate lang intensiv Physiotherapie betreiben, danach ein entsprechendes Wiederaufbau Trainingsprogramm und den Wiedereinstieg in den Skisport versuchen. Sollte sich dabei herausstellen, dass eine rezidivierende, subjektive Instabilität auftritt, kann auch danach noch, ohne das Kniegelenk zu gefährden, eine chirurgische Sanierung des Kreuzbandrisses durchgeführt werden. Auf keinen Fall muss beim Amatuersportler so wie beim Profisportler sofort operiert werden. Denn Profisportler lassen sich nur operieren, da sie nicht die Zeit haben abzuwarten ob es ohne OP wieder zu einer stabilen sportfähigen Situation im Kniegelenk kommt.
Wie kann eine Kreuzbandverletzung behandelt werden?
Mit den heutigen zur Verfügung stehenden chirurgischen Techniken zur Kreuzbandsanierung können wir je nach Rupturtyp differenziert vorgehen. Bei entsprechenden knochennahen Abrissen kann bei entsprechender Jugendlichkeit des Patienten eine Reinsertion und damit Erhalt des eigenen Kreuzbandes durchgeführt werden. Weiters ist es auch heute möglich bei entsprechenden Teilabrissen, bei denen entweder das anteromediale oder das posterolaterale Bündel rupturiert ist, diese durch geeignete Sehnenimplantate zu verstärken und damit durch einen wesentlich kleineren Eingriff eine vollere Sportfähigkeit garantieren. Bei der kompletten Zerreißung des vorderen Kreuzbands ist nach wie vor der entsprechende Ersatz durch körpereigenes Sehnenmaterial erforderlich. Hierzu werden hauptsächlich die Semitendinosus-Sehne als 4fach Transplantat, die Quadrizepssehne als Knochenmonoblockimplantat und in Ausnahmefällen auch noch die Patella Sehne mit einem Knochendoppelblock verwendet. Sollte es sich bereits um eine Revisionsoperation handeln oder der Patient aus besonderen sportlichen Ansprüche kein körpereigenes Material verwenden können, stehen uns heute Spendenmaterialien aus einer Gewebebank zur Verfügung.
Die Nachbehandlung ist entscheidend!
Der Erfolg einer Kreuzbandoperation lieg letztendlich nicht nur in den Händen des Chirurgen, sondern auch ganz wesentlich in der konsequenten und intensiven Nachbehandlung durch die Physiotherapie und das selbstständige Training des Patienten. Die Nachbehandlung der chirurgisch sanierten Kreuzband-Ruptur dauert egal wie schnell die muskuläre Kompetenz zurückerobert wird insgesamt 12 Monate, denn erst dann ist die volle Integration des Sehnentransplantates in das Knie abgeschlossen und die Biologie innerhalb des Kniegelenks wieder im Gleichgewicht.
Sinnvoll ist die Ruhigstellung mittels einer Orthese um bei entsprechenden Verdrehungen und Stürzen während der frühen Rehabphase ein auslockern des Transplantats zu vermeiden, Krücken müssen nur zur Schmerzlinderung verwendet werden und bereits am ersten Tag nach der Operation beginnt die Physiotherapie. Nach 6 Wochen sollten sie in der Lage sein am Ergometer Rad zu fahren nach 3 Monaten sollten sie in der Lage sein zu Laufen und die weiteren sportlichen Freigaben erfolgen nach entsprechender funktionsmotorischer Testung und entsprechenden Fähigkeiten. Aus persönlicher Sicht empfehle ich pivotierende Sportarten bzw. Kontaktsportarten erst nach 12 Monaten wieder auszuüben.
Seien Sie konsequent!
Unter einer Stunde täglicher Aufmerksamkeit für das operierte Kniegelenk wird eine Genesung nicht erfolgen, sei es Physiotherapie, Lymphdrainage, Ergometertraining, Motorschienen-Mobilisierung oder Krafttraining. Es gilt je konsequenter man sich um die Genesung des Kniegelenks kümmert desto rascher wird das sportliche Niveau vor der Verletzung wieder erlangt. Studien zeigen, dass etwa 40% der Patienten ihr früheres sportliches Leistungsniveau wieder erreichen. Bei nicht operierten Patienten jedoch wesentlich häufiger sekundäre Meniskus- und Knorpelschäden auftreten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, die Ruptur des vorderen Kreuzbandes ist eine schwere innere Knieverletzung, die in einem großen Umfang zur mechanischen Destabilisierung des Kniegelenks führt. Aus meiner persönlichen Sicht ist ein Leben ohne ein vorderes Kreuzband durchaus möglich. Es stellt sich jedoch die Frage, ob Sie als Patient Ihre sportlichen Ansprüche dem verletzen Knie anpassen wollen, oder Sie Ihr Knie Ihren sportlichen Ansprüchen anpassen möchten. Sollten sie einen hohen Anspruch an Ihr sportliches Niveau haben so halte ich die chirurgische Sanierung eines vorderen Kreuzbandrisses für unumgänglich insbesondere um entsprechende Langzeitschäden zu vermeiden.