Was ist das Kreuzband?
Das Kreuzband ist der zentrale Pfeiler der Stabilität des Kniegelenks. Technisch gesprochen ist es besonders widerstandfähiges Bindegewebe. Und während die Sehnen in unserem Körper stets einen Muskel mit einem Knochen verbinden, verbinden die Bänder Knochen direkt miteinander. Wir unterscheiden ein vorderes und ein hinteres Kreuzband. Im Inneren des Knies kreuzen die beiden Bänder einander und von dieser besonderen Anordnung gegeneinander haben sie auch ihren Namen – eben die Kreuzbänder.
Welche Aufgaben haben die Kreuzbänder?
Die Aufgabe des vorderen Kreuzbandes ist es, zu verhindern, dass sich der Oberschenkel gegenüber dem Unterschenkel nach vorne verschiebt. Das Hintere sorgt für Stabilität in die Gegenrichtung. Reißt eines dieser Bänder führt das dazu, dass das Knie nachgibt oder „aulässt“. Der Verletzte hat dann das Gefühl, als ob das Knie nicht mehr stabil und aktiv ansteuerbar ist, sondern als ob es einfach wegkippen würde. Ein schwacher Trost, aber immerhin: Das ist nicht der Fall, sondern es ist die Verschiebung des Ober- gegen den Unterschenkel – in der Sprache des Mediziners die „Giving-Way-Attacke“.
Die Kreuzbänder haben neben Ihrer Fuktion als Stabilisatoren im Kniegelenk eine zweite wichtige Aufgabe. Die Aufgabe ist, dass sie den Bewegungsmechanismus des Kniegelenkes führen – den sogenannten Roll-Gleit-Mechanismus, der es uns überhaupt erst möglich macht, die Knie bis zu 160 Grad abzuwinkeln. Wenn eines der Kreuzbänder gerissen ist, werden andere Strukturen innerhalb des Knies – Meniskus und Knorpel – stärker beansprucht und dadurch mit der Zeit stärker abgenützt. Diese Abnützungen nennt man dann Sekundärschäden.
Was passiert, wenn die Kreuzbänder zu viel beansprucht werden?
Kreuzbänder sind enorm widerstandsfähig und ständig beansprucht. Was zuviel ist, ist jedoch zu viel: Vor allem, wenn das Kreuzband gleichzeitig stark gedehnt wird – wenn also das Knie zu stark abgebogen wird – und das Knie gleichzeitig verdreht wird, kann eines der Bänder – bei extremen Belastungen beide zu gleich – reißen. In einzelnen Fällen ist es möglich, auch mit gerissenem Kreuzband gut durch den Alltag zu kommen. Das hängt üblicherweise von der Art der Belastungen und dem Muskelkorsett im Kniegelenk ab. In sehr vielen Fällen ist jedoch ein chirurgischer Eingriff nötig. Sollte eine Operation notwendig werden, gibt es – je nach Art der Kreuzbandverletzung – mehrere Möglichkeiten für eine Operation.
Die häufigste Verletzung ist der Riss des vorderen Kreuzbandes – wesentlich seltener reißt das hintere. Und zwar in etwa im Verhältnis 9:1. Interessanterweise ist die Heilungschance ohne Operation bei einer Ruptur des hinteren Kreuzbandes deutlich wahrscheinlicher als beim Vorderen. Ob eine operative Behandlung des Kreuzbandes notwendig ist, wird von mehreren Faktoren beeinflusst: Vom absoluten Alter gleichermaßen wie vom biologischen Alter, vom sportlichen Anspruch der Patientin oder des Patienten und der Art des Kreuzbandrisses.
Bei einem Abriss am knöchernen Ansatz bzw. bei einem knöchernen Ausriss besteht die Aussicht, dass das eigene Kreuzband wieder hergestellt werden kann. Die Entscheidung, ob diese Behandlungsmethode angezeigt ist, ist heikel – ein erfahrener orthopädischer Chirurg ist der richtige Ansprechpartner. Ist das Band nicht bloß am Ansatz abgerissen sondern auch in sich zerstört, hat nur ein Ersatz durch geeignetes Sehnenmaterial Aussicht auf Erfolg.
Die Bandbreite an Eingriffen ist mittlerweile groß:
Wiederherstellung des eigenen Kreuzbandes
Sollte das Kreuzband nahe seinem Ansatz am Knochen oder gemeinsam mit einem Stück Knochen ausreißen und zwar ohne gravierende Verletzung des Bandes selbst, kann es operativ rekonstruiert werden. Eine vollständige Genesung ist möglich.
Augmentation des Kreuzbandes
Oft kommt es vor, dass entweder der vordere gerade oder der hintere schräge Teil des Kreuzbandes reißt und der andere Teil hält. In diesem Fall ist es möglich den erhaltenen Teil zu verstärken.
Kreuzbandersatz durch körpereigene Sehne
Ist das Kreuzband völlig zerstört, ist die Methode der Wahl der komplette Ersatz durch körpereigene Sehnen (Semitendinosus-, Quadrizeps- oder Patellasehne).
Singlebundle vs. Doublebundle
Im Normalfall ist die anatomische Wiederherstellung in der Einbündeltechnik zielführend. Hierbei werden nicht zwei Bänder sondern ein stärkeres eingesetzt. In Ausnahmen wird sowohl das vordere gerade wie das hintere schräge Kreuzband ersetzt – vor allem bei sportlich extrem ambitionierten Patienten.
Transplantation des Kreuzbandes
Die Richtlinien für den Gebrauch von Spendergewebe haben sich in den vergangenen Jahren zugunsten der Patienten verbessert. Die Transplantation wird dadurch zunehmend populär. Der Vorteil dabei ist, dass der Eingriff wesentlich schonender ist, da die Entnahme der körpereigenen Sehen entfällt. Abstoßungsreaktionen sind nicht zu befürchten und die erzielte Stabilität ist genauso gut oder besser als beim Eigengewebe.
Operation des hinteren Kreuzbandes
Entsprechend zu der Wahrscheinlichkeit eines Risses des hinteren Kreuzbandes ist die Reparatur eine viel seltenere Operation. Sie erfordert enormes Geschick und Wissen. Das hintere Kreuzband kann so wie das vordere mit körpereigenen Sehen ersetzt und wiederhergestellt werden.
Periphere Instabilitäten
Neben den bekannten Strukturen innerhalb des Kniegelenks existiert eine Reihe von weiteren Bändern die zusätzlich Stabilität geben. Verletzungen dieser Bänder werden auch von Medizinern leicht im MRT übersehen und dann nicht entsprechend in das chirurgische Gesamtkonzept aufgenommen.
Tissue Ingeneering
Im Laufe der biologischen Regeneration wird das eingebrachte Band durch das Einwachsen neuer Blutgefäße und Einsprießen ortsständiger Bindegewebszellen wieder vollständig in das Gelenk integriert. Wie können wir unseren Körper dabei unterstützen? Im Wesentlichen bestehen zwei Möglichkeiten: Erstens durch die Injizierung von Blutplasma – autologes, konditioniertes Plasma oder zweitens durch Einbringen von Stammzellen, die aus dem Knochenmark oder aus dem Fettgewebe gewonnen werden können.
Wie sind die Erfolgsaussichten einer Kreuzband-OP?
Der Erfolg einer Operation an den Kreuzbändern hängt von mehreren Faktoren im Laufe der Behandlung ab. Zunächst zählt die rasche und fachlich fundierte Diagnose. Ein erfahrener orthopädischer Chirurg erkennt durch bildgebende Diagnostik – Also MRT und Röntgenbilder genau, die Art und den Grad der Schwere der Verletzung der Bänder und empfiehlt die optimale Behandlung. Im nächsten Schritt steht der professionell geplante und durchgeführte chirurgische Eingriff. An diesem Punkt endet die alleinige Zuständigkeit des behandelnden Arztes und die Patientin/der Patient sind gefordert ihren Beitrag zu leisten. Denn nach einer gut verlaufenen Operation liegt alles am Willen und der Konsequenz des Patienten/der Patientin. Ein professionell operiertes Kreuzband kann wieder voll belastungsfähig werden, jedoch nur, wenn die Rehabilitation weder unterbrochen noch frühzeitig abgebrochen wird. Etwa 80% der Patienten erreichen unter diesen Bedingungen ihr sportliches Niveau von vor der Verletzung.
Was ist nach einer Kreuzband-OP zu beachten?
Die Operation ist der erste und sicher auch wichtigste Schritt zur Wiederherstellung von vollständiger Beweglichkeit und Belastbarkeit. Die konsequente Nachbetreuung ist jedoch ebenso wichtig um die Rehabilitationsphase möglichst kurz zu halten und das Endergebnis zu optimieren.
Was gehört alles in diese Phase des „Zurück zur Normal“? Sie beginnt mit postoperativer Versorgung mit einer Knieschine sowie die weitere Entlastung des heilenden Gelenks durch Krücken. Diese Entlastungsphase beschleunigt das Wiederanwachsen der Bänder. Hinzu kommt unmittelbar nach der Operation intensive Physiotherapie. Neben Behandlungen durch den Physiotherapeuten zählen hierzu Unterwassergymnastik und das Training am Unterwasserlaufband und in weiterer Folge entsprechendes Kraft- und Koordinationstraining.
Wie lange dauert die Genesung nach einer Kreuzband-OP?
Die primäre Wundheilung dauert in etwa sechs Wochen. Die vollständige biologische Regeneration ist – bei entsprechend konsequenter Vorgehensweise – nach gut einem Jahr abgeschlossen. Dabei ist vor allem das kontinuierliche Arbeiten in der Rehabilitation wichtig. Es sei an dieser Stelle ein weiteres Mal erwähnt, dass die konsequente Arbeit am Wiedererlangen von Kraft, Koordination und damit Bewegungssicherheit das wichtigste sind. Und: Wunderheilungen innerhalb weniger Wochen werden wohl da oder dort in Aussicht gestellt, finden jedoch nicht statt und wer zu früh zuviel will, endent nicht selten am Ende wieder auf Feld 1 – dem OP-Tisch.
Wann ist nach einer Kreuzband-OP Sport wieder möglich?
Als ungefährer Fahrplan sollte nach sechs Wochen Ergometertraining – also das Training auf dem Zimmerrad – möglich sein. Hier ist die Belastung optimal einstellbar und die zusätzliche Belastung durch das eigene Körpergewicht oder gar Krafteinwirkungen zur Seite werden vermieden. Nach 12 Wochen kann in der Regel mit leichtem Laufen begonnen werden. Dies jedoch immer nur in Verbindung mit allen wesentlichen Kraft- und Koordinationsübungen. Ambitionierter Hobby- oder gar Leistungssport insbesondere bei Kontakt und Ballsportarten ist nach 12 Monaten risikoarm möglich – das Training ist in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt zu gestalten.